Neue Finanzmächte: Digitale Unternehmen mit E-Geld-Lizenz?

Dass die grossen Digitalen Unternehmen verstärkt Finanzdienstleistungen anbieten und eine ernst zu nehmende Konkurrenz für die Banken darstellen, ist nichts Neues.

Neu ist jedoch, dass der Trend im EU Raum bei Digitalen Unternehmen in Richtung des sogenannten E-Geldes geht. So lauten die jüngsten Schlagzeilen:

  • «EU gibt Google eine „Bank-Lizenz Light“»
  • «Neben Google besitzen mittlerweile auch Facebook und Amazon E-Geld-Lizenzen in Europa»
  • «Alipay bekommt eine E-Geld-Lizenz»

Es sind jedoch nicht nur grosse Unternehmen, sondern auch eine Vielzahl von Fin-Tech Firmen, welche neue Geschäftsmodelle basierend auf einer E-Geld-Lizenz umsetzen. Ein Beispiel ist Pintail, ein Unternehmen welches sich auf kostengünstige, internationale Geldtransfers via Mobiltelefon spezialisiert.

Die PSD2-Regulierung, welche unter anderem Banken in der EU verpflichtet, Drittanbietern (sogenannte Third Party Payment Service Provider, TPP) Zugang zu Bankkonten zu gewähren, sorgt zusätzlich für Dynamik.

Was sind mögliche Anwendungsbereiche und Vorteile von E-Geld?

Bei E-Geld handelt es sich gemäss E-Geldgesetz um elektronisch oder magnetisch gespeicherte monetäre Werte in Form einer Forderung gegenüber dem E-Geld-Emittenten, der gegen Zahlung eines Geldbetrags ausgestellt wird, um damit Zahlungsvorgänge durchzuführen und der auch von anderen natürlichen oder juristischen Personen als dem E-Geld-Emittenten angenommen wird. 

Ein von der Finanzmarktaufsicht eines EU Staates bewilligtes E-Geld-Institut kann insbesondere folgende Geschäfte innerhalb der EU durchführen:

  • Die Ausgabe von E-Geld
  • Die Erbringung von Zahlungsdiensten
  • Den Betrieb von Zahlungssystemen
  • Die Gewährung von Krediten im Zusammenhang mit Zahlungsdiensten 

Das von einem Emittenten ausgegebene E-Geld kann dabei als eigenes «Ökosystem» betrachtet werden, welches 1:1 an eine FIAT Währung gekoppelt ist. Die Anwendungsbereiche sind vielfältig; Beispiele – nebst „Zahlungsabwicklung-Dienstleistungen“ – können sein:

  • Microfinance auf Basis von E-Geld
    z.B. E-Wallet mit Kreditbetrag-Gutschrift direkt an Empfänger (Peer-to-Peer).
  • Cashback Systeme PLUS
    z.B. Cashback = E-Geld mit Möglichkeit dieses für weitere Dienstleistungen und an unterschiedlichen Akzeptanzstellen verwenden zu können
  • E-Geld auf Blockchain; „eine Finanzmarktaufsicht regulierte Kryptowährung“
    z.B. ein „Stable Coin“ als Zahlungsmittel 

… um nur einige zu nennen.

E-Geld bietet gegenüber FIAT Währungen Vorteile wie insbesondere eine kostengünstige und effizienten Abwicklung durch Vermeidung von Intermediären innerhalb des E-Geld Ökosystems. Zudem ist es – wie FIAT Währungen auch – reguliert, was E-Geld Rechtssicherheit verleiht. Dies ist zum Beispiel bei Kryptowährungen aktuell nicht der Fall. Auch sind die regulatorischen Anforderungen an ein E-Geld-Institut weniger umfangreich, verglichen mit einer Banklizenz.

Welche regulatorischen Anforderungen müssen E-Geld Institute erfüllen?

Damit ein Institut E-Geld ausgeben und E-Geld-Dienstleistungen anbieten darf, sind diverse Vorgaben zu erfüllen, insbesondere nennenswert sind nachfolgende referenzierend auf das E-Geldgesetz in Liechtenstein:

  • Bewilligung durch Finanzmarktaufsicht
  • Notifizierung der Länder, in welchen E-Geld Verwendung finden soll
  • Eigenkapital von 350’000 EUR oder Gegenwert in CHF
  • Sicherung Kundengelder: Entgegengenommene Gelder sind angemessen zu sichern
  • Sorgfaltspflicht zur Bekämpfung von Geld­wäscherei, organisierter Kriminalität und Terrorismus­finanzierung
  • Regelmässige Revision durch unabhängige und von der Finanzmarktaufsicht anerkannte Revisionsstelle

Schlusswort

E-Geld findet unzählige Anwendungsmöglichkeiten, ist ein Enabler für neue Geschäftsmodelle und bietet Rechtssicherheit. E-Geld-Dienstleistungen von Fin-Tech und Digitalen Unternehmen werden den Druck auf die traditionelle Bankenindustrie im EU-Raum weiter erhöhen.  

Aktuell unklar ist hingegen noch, welche Finanzdienstleistungen Google, Alipay & Co. in Europa konkret basierend auf den erlangten E-Geld-Lizenzen anbieten werden.

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Über den Autor:
Stefan Frei (Geschäftsinhaber von Frei Projects) ist seit über 20 Jahren in der Finanzindustrie tätig. Eine seiner Herausforderung war der Aufbau eines E-Geld Institutes in Liechtenstein in der Rolle des COOs für eine Unternehmensgruppe.

Frei Projects, www.freiprojects.com